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Wer alles nach Berlin zieht......


east70

Empfohlene Beiträge

Der Benjamin

Vorspiel

Benjamin kam aus Stuttgart und war genauso alt wie ich. Ich hatte an der Humboldt-Universität einen Zettel ausgehängt, auf dem ich nach einem Mitbewohner für meine Zweizimmerwohnung suchte. Er hatte mich beobachtet.

?Mensch, Du suchst?n Mitbewohner, das ist ja gei-jel. Ich glaub, Du hast ihn gefunden!?, dröhnte er und schenkte mir ein Lächeln, für das jahrelange Dehnübungen unter Zuhilfenahme eines Kleiderbügels nötig gewesen sein müssen.

?Was ist denn das für eine Wohnung??

?Naja, Altbau, Prenzlauer Berg, sonnig, zusammen 70 qm, Kachelofen ...? ?Kachelofen? Gei-jel ... die machen immer so ne angenehme Wärme, habe ich gehört.?

?Stimmt schon, aber leider muss man dazu erst mal Kohlen aus dem Keller holen.?

?Haha, Mensch, Du hast echt Humor, wir werden uns bestimmt ganz toll verstehen. Ich bin übrigens der Benjamin.?

Er reichte mir seine Hand - augenscheinlich, um damit meine Hand einem Belastungstest zu unterziehen.

?Mensch, das ist ja wohl rich-tig gei-jel.?, befand er nach der Besichtigung der Wohnung. ?So total ostig. Weißt Du in Stuttgart, da ist alles so geleckt, darum wusste ich auch: Ich muss raus aus dieser Spießerstadt. In den Osten. Hier ist alles noch so ursprünglich. Und die Leute sind einfach suuu-per-nett.? Eine Woche später zog er ein.

Tag 1

An unserem ersten gemeinsamen Morgen weckte er mich: ?Du tut mir leid, wenn ich Dich wecke, aber wo ist denn die Kaffeemaschine??

?Äh, Morgen Benjamin. Welche Kaffeemaschine??

?Wieso welche? Hast Du mehrere? Also dann die mit Milchaufschäumer.? ?Ich habe überhaupt keine Kaffeemaschine.?

?Oh. Na, dann trink ich auf?m Weg zur Uni irgendwo ?n Kaffee.?

?Ich kann Dir ja einen aufbrühn.?

?Wie ... ach so ... Du, das wär total geijel. Kaffeegenuss pur, ja also das wäre echt suuu-per-nett!?

Am Abend kam er freudestrahlend nach Hause und stellte ein großes Paket auf den Küchentisch.

?Du guck mal, was ich gekauft habe, quasi mein WG-Einstand!?

Es war eine sündhaft teure Kaffeemaschine, mit der man Espresso, Milchkaffee, Cappucino, Latte Machiato ... mit der man einfach alles machen konnte. Nur keinen Kaffee.

?Und jetzt mach ich uns ?n richtig schönen Latte Macchiato.?

Der Milchkaffee war wirklich gut. Benjamin hatte sogar Kakao mitgebracht, zum Drüberstreuseln.

?Na? Schmeckt geijel, oder??

?Ja, echt lecker.?

?Du sag mal, hast Du was dagegen, wenn ich den Fußbodenbelag aus meinem Zimmer rausschmeiße? Der ist mir irgendwo zu spießig.?

?Äh, nö, mach nur.?

Tag 2

Mich weckte ohrenbetäubender Lärm. Es klang, als würde man ein Mikro an einen Zahnarztbohrer halten und das Signal über die PA einer gut ausgerüsteten Punkband jagen. Ich taumelte aus dem Bett und in den Flur. Das Geräusch hörte auf und zwei Männer mit Schutzbrillen kamen aus Benjamins Zimmer. Einer von ihnen trug ein T-Shirt mit dem Emblem der FDJ. Sie setzten die Brillen ab. Der mit dem FDJ-T-Shirt entpuppte sich als Benjamin.

?Ah, Guten Morgen, Du, ich hoffe, wir haben Dich nicht geweckt.?

?Äh, naja...?

?Na, dann ist ja gut. Du, das ist der Torsten, der hilft mir beim Abschleifen der Dielen. Thorsten, das ist der Volker, mein Mitbewohner. Echt suuu-per-netter Typ! Wie wärs wenn wir erst mal zusammen frühstücken? Es gibt frische Croissants und ... ich hab noch etwas ganz Besonderes besorgt!?

Er winkte uns in de Küche und hielt uns stolz ein Döschen ?Nudossi? vor die Nasen.

?Das ist die Ostvariante von Nutella!?, erklärte er Thorsten. ?Und Du, das ist viel natürlicher, als Nutella, weniger E?s und so?n Scheiß. Schmeckt einfach rich-tig gei-jel!?

Keine Ahnung wie er darauf kam. Es war sicherlich nicht alles schlecht im Osten, aber Nudossi war es definitiv.

?Thorsten, für Dich ?n Latte? Und Volker, Du auch? Oder lieber Cappucino??

?Danke, später gerne, aber jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee. Wo ist denn der Wasserkessel?"

?Du, den hab ich weggeschmissen.?

?Du hast ... WAS?!?!?

?Weggeschmissen. Der war doch eh total verkalkt und wir haben doch jetzt die Kaffeemaschine. Du, da fällt mir noch was ein: Das wäre doch okay, wenn Du da ein bisschen was beisteuerst, ne? Ich meine, Du profitierst ja auch davon.?

?Was? Aber Du hast doch gesagt ...?

?Ich wusste doch, dass Du ?n Kumpel bist.?, sagte Bejamin und hieb mir auf die Schulter. ?Aber Du, mal noch was ganz anderes, kann ich dem Thorsten mal Dein Zimmer zeigen? Thorsten komm mal mit, das musst Du gesehen haben.?

Sie warteten meine Antwort nicht ab. Ich blieb deprimiert am Küchentisch sitzen und hörte Satzfetzen: ?ist ja wohl ooo-ber-gei-jel ... echt kultig ... Du, das müssen wir un-be-dingt mal dem Stephan zeigen, der flippt aus ... der sucht doch noch Ideen für seine neue Bar.? Ich wusste, sie bestaunten meine Mustertapete, das orange-grün bezogene Ostsofa und den lila-grauen Teppich, alles Hinterlassenschaften meines Vormieters, von denen ich mich bloß aus Faulheit noch nicht getrennt hatte. Ich stahl mich aus der Wohnung. Wenn Sie sich wieder über die Dielen hermachten, wäre es zuhause sowieso nicht auszuhalten.

Erst abends traute ich mich wieder in meine Wohnung. Im Flur hatte jemand einen Garderobenständer und ein Schuhregal aufgestellt. Benjamin kämpfte mit dem Staubsauger.

?Hat keinen Zweck.?, sagte ich. ?Der ist vor ?nem Monat kaputt gegangen.?

?Ach Du Schei-ße! Wie kriege ich denn jetzt den Dreck aus meinem Zimmer? Der Elektromarkt hat schon zu.?

?Besen.?, sagte ich und Benjamin starrte mich verständnislos an.

?Fegen.?, fügte ich hinzu und jetzt erhellte sich seine Miene.

?Ach Mensch, das ist ja ne rich-tig geile Idee, Du. Ihr Ossis habt?s einfach drauf zu improvisieren!?

Ich wies ihn in die Bedienung des archaischen Reinigungsgerätes ein und ging ins Bad. Der Klodeckel war mit rotem Plüsch bespannt worden, eine Vorlage aus demselben Material schmiegte sich um den Toilettenfuß. Ich stöhnte auf, als ich den Deckel anhob und einen WC-Frischestein im Becken sah.

Scheiß drauf, sagte ich mir und versuchte es, aber natürlich misslang das Experiment.

Es wurde Zeit, ein ernstes Wörtchen mit Benjamin zu reden. Doch als ich in sein Zimmer kam, lächelte er mich freundlich an und sagte: ?Mensch, ich kann Dir gar nicht sagen, wie wohl ich mich bei Dir fühle. Habe ich mich eigentlich schon bedankt?? Er saß auf einem weißen Fell auf seinem abgeschliffenen Boden, hinter ihm stand eine 70er-Jahre-Stehlampe, neben ihm, auf einem Glastischchen dampfte ein Räucherstäbchen.

?Weißt Du, hier ist alles noch so herrlich ursprünglich und nicht so tot und spießig wie zu Hause. Ach und übrigens: Im Kühlschrank ist Bier, nimm Dir ruhig eins.?

?Ja, danke, das kann ich jetzt gebrauchen.?, resignierte ich.

Ich ging zum Kühlschrank und sah hinein. Ich konnte kein Bier entdecken. ?Benjamin, wo sagtest Du nochmal soll das Bier sein??

?Im Kühlschrank.?

?Hier ist keins.?

Benjamin kam blickte in den Kühlschrank und sagte: ?Da ist es doch.?

?Wo??

?Na da!?, sagte er und zeigte auf ein paar kleine grüne Flaschen mit der Aufschrift ?Becks?.

?Das ist doch kein Bier. Das ist Becks.? ?Na, wenn das ein Bier ist! Und viel besser als diese proletenhaften Berliner-Flaschen, die Du immer trinkst.?

?Tut mir leid, aber Berliner schmeckt mir nun mal. Und ich bin quasi damit großgezogen worden. Ausserdem ist es billiger.? ?Weißt Du, so sehr ich es verstehe, dass ihr noch immer am Osten hängt, so kotzt es mich doch an, dass ihr an al-lem Neuen was zu Nörgeln findet. Ach und noch was. Es wär nett, wenn Du in der Wohnung die Schuhe ausziehen würdest. Zumindest in den gemeinsam genutzten Bereichen. Gute Nacht.?

Tag 3

Es klingelte an der Wohnungstür und ich quälte mich im Schlüpfer aus dem Bett. Im Hausflur standen zwei kräftig gebaute Männer und ein riesiger Karton.

?Guten Morgen. Wir bringen Ihre Spülmaschine. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden.?

?Wie? Ich verstehe nicht ...?

?Ah! Die Spülmaschine!?, rief Benjamin, kam zur Tür und unterschrieb den Lieferschein. ?Du, die habe ich gleich am ersten Tag bestellt, als ich den Abwaschberg gesehen habe! Wegen der Kohle brauchste Dir keine Sorgen machen. Ich weiß ja, dass Du es nicht so Dicke hast ... wir können Deinen Anteil einfach von meiner Miete abziehen.?

Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn in diesem Moment nicht das Telefon geklingelt hätte und Benjamin mit den Worten: ?Ist für mich? in sein Zimmer gerannt wäre, wo das Telefon seit seinem Einzug wie selbstverständlich stand.

Ich lief weg und betrank mich in meiner ehemaligen Stammkneipe. Mit Becks und Sake, denn mittlerweile hatte sie einer Sushibar weichen müssen.

Als ich wieder nach Hause kam, hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich würde Benjamin rausschmeißen. Mitsamt Spül- und Kaffeemaschine, Garderobenständer, Glastischchen, Toilettengarnitur, Nudossi, FDJ-T-Shirt, Becks und dem ganzen Nippes, den er inzwischen in der Wohnung verteilt hatte.

Er empfing mich mit offenen Armen und einer Flasche Champagner. ?Volker! Da bist Du ja endlich! Du, es gibt Grund zu feiern!?

?So? Was denn??, fragte ich misstrauisch.

?Ich hab meinen Vater überredet, das Haus zu kaufen! Ist das nicht gei-jel? Demnächst fängt die Restaurierung an, wer doch gelacht, wenn wir den alten Kasten nicht ordentlich in Schuss kriegen!? Er streckte schwärmerisch die Hände aus und drehte sich auf einem Fuß. ?Stell Dir nur mal vor, Gasheizung und größere Fenster und überall Parkettfußboden, vernünftige Duschen und elektrische Türöffner, damit die Tür unten zugemacht werden kann ... Und: Du hast die Wohnung wieder für Dich alleine, ich ziehe nämlich ins Dachgeschoss. Wird natürlich alles ein bisschen teurer - aber wenn?s bei Dir nicht reicht, keine Sorge, uns fällt schon was ein. Hinterhof Parterre gibts ne kleine Einzimmerwohnung, die wird sicher nicht so teuer werden ... he! Du freust Dich ja gar nicht ...?

Nachspiel

Inzwischen habe ich mich sehr gut eingelebt in Stuttgart. Die Menschen hier sind sehr freundlich. Das sei nicht immer so gewesen, erklärten mir ein paar Eingeborene. Aber seit Anfang der neunziger würden zum Glück alle Nervensägen nach Ostberlin abwandern. In einer kleinen, ebenso gemütlichen wie langweiligen Kneipe treffe ich mich ein mal die Woche mit ein paar anderen Ex-Ostberliner und wir gratulieren uns dazu, dass wir es noch rechtzeitig raus geschafft haben. Natürlich führt die Kneipe kein Berliner Pilsner aber immerhin auch kein Becks und keinen Milchkaffee. Und Hofbräu schmeckt ziemlich gut. :-(:-D

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haick ja jesachd, neukölln isse neue trendkorner, so mtv und sony- typen wa!haatick 4monde lang in NK jeschraubt, voll grütze ey. deutschland grösste anhäufung von sozempfängern,fikjajut.

dann lieber die paar schickies in pberg..die wolln nur spielen weeste!

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Nette Geschichte. Ist sie reine Fiktion oder wahr?

Ich glaube übrigens, daß man etweder eingeborener Ostler sein oder 80'er Jahre Klamotten tragen und gerade nach Friedrichshain ziehen muß um Berliner zu mögen.

In NK haben sie mir übrigens gleich die Riefen zerschnitten. Im PB ist noch nie etwas passiert. Das reicht mir als Argument.

Es scheint ja noch einige Berliner hier zu geben erstaun- und erfreulich.

Na denne

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das warn dann wohl sauftouris, oder die türsteher vom roten salon (steroidenpeter)... war ich sommer weserstrasse mit werkstatt,aldem! geil verfolgungsjagd: 2 türken mit 70sachen auf plasteroller, die bullen mit corsa und wanne hinterher..nix helm, kopfstein vom allerfeinsten und rechtsvorlinks.. krassey..habbich beinah in jogginganzug gepisst vor lachen :-D

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